Offener Brief an die Sachverständigen zum Thema Staatsleistungen

Offener Brief an die Sachverständigen der Fraktionen im Deutschen Bundestag zum Thema Staatsleistungen

Sehr geehrte Frau Prof. Dr. zu Hohenlohe,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Classen,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Hense,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Korioth,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Heinig,
sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wieland,
sehr geehrter Herr Dr. Adam,

Sie wurden zur Debatte über den Gesetzentwurf für die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen gemäß Artikel 140 Grundgesetz i. V. m. Artikel 138 Absatz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) Drucksache 19/19273 als Sachverständige benannt.
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/192/1919273.pdf
Am Montag den 12. April 2021 berät der Ausschuss für Inneres und Heimat des Bundestages über diesen Gesetzentwurf.

Unser Bündnis altrechtliche Staatsleistungen abschaffenBASTA aus 40 Mitgliedsorganisationen[1] befasst sich seit Jahren mit den umstrittenen Staatsleistungen an die Kirchen.
Angesichts der Missachtung des Verfassungsauftrages seit mehr als 100 Jahren setzt sich BASTA für eine Ablösung der Staatsleistungen zum Nulltarif ein.

Zu dem Gesetzentwurf der drei Oppositionsfraktionen besteht erheblicher Klärungsbedarf, den Sie mit einer Stellungnahme zu folgenden Fragen auflösen könnten.

  1. Die Antragsteller gehen davon aus, dass es sich bei Staatsleistungen grundsätzlich um Entschädigungsleistungen handele, die durch Enteignungen entstanden sind und die Ablösung nur durch Kompensation für den Wert des verlorenen Eigentums erfolgen könne. Gibt es auch Staatsleistungen die vor Inkrafttreten der WRV aus anderen Gründen eingeführt wurden und die nichts mit Enteignungen zu tun haben? Sind auch kommunale Leistungen an Religionsgesellschaften abzulösen, sofern diese bei Inkrafttreten der WRV auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhten?
  2. Die Antragsteller unterstellen, dass eine überwiegende Meinung im Verfassungsrecht das Einhalten des Äquivalenzprinzips bei der Ablösung für erforderlich hielte. Wie ließe sich ein solches Äquivalenzprinzip aus dem Grundgesetz ableiten, wenn dies nicht einmal bei Enteignungen nach Artikel 14 GG oder der Vergesellschaftung von Grund und Boden, Naturschätzen oder Produktionsmitteln nach Artikel 15 GG vorgesehen ist? Welche Argumente sprechen gegen eine angemessene Entschädigung, die auch die Interessen der öffentlichen Haushalte und die Verzögerung bei der Ablösung um mehr als 100 Jahre berücksichtigt?
  3. Die Antragsteller legen bei der Berechnung der Ablösesummen das 18,6-fache der jährlich zu leistenden Zahlungen im Jahr 2020 zugrunde, da sich nach ihrer Meinung ein ursprünglicher Wert nicht mehr rekonstruieren ließe. Warum sollten nicht ausschließlich die bei Inkrafttreten der (WRV) am 14. August 1919 auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Ansprüche zugrunde gelegt werden? Welche der damals geltenden Anspruchsgrundlagen lassen sich heute nicht mehr in den Archiven und Bibliotheken finden?
  4. Die Antragsteller schlagen das 18,6fache des Jahreswerts als Ablösesumme vor. Wäre in Anlehnung an § 13 Absatz 2 Bewertungsgesetz nicht das 9,3fachen des Jahreswerts sinnvollerweise anzuwenden, da es sich bei den Staatsleistungen nur um Leistungen von unbestimmter Dauer und nicht um immerwährende Leistungen handelt? Immerhin schreibt das Grundgesetz die Beendigung der Staatsleistungen durch Ablösung vor und sie sind demnach nur bis zum noch unbestimmten Zeitpunkt der Ablösung aber keinesfalls immerwährend zu zahlen.
  5. Die Antragsteller wollen bisher gezahlte Leistungen bei der Ablösung nicht berücksichtigen. Welche Argumente sprechen gegen eine Berücksichtigung bisher gezahlter Staatsleistungen, soweit diese bei Inkrafttreten der WRV noch gar nicht begründet waren oder in den vergangenen 100 Jahren bereits explizite Vorauszahlungen auf die Ablösesumme gezahlt wurden?
  6. Die Antragsteller fordern die Weiterzahlung der Staatsleistungen neben den Ablöseleistungen bei einer ratenweisen Ablösung. Warum sollten die Staatsleistungen nicht lediglich bis zum Erlass eines Grundsätzegesetzes im Sinne von Artikel 173 WRV bestehen? Welche Argumente sprechen für eine Weiterzahlung der Staatsleistungen über die Ablösegesetze hinaus?
  7. Die Antragsteller behaupten, es seien keine Staatsleistungen an andere Religionsgesellschaften als die evangelische und katholische Kirche bekannt und daher nur die Ansprüche dieser beiden Kirchen abzulösen. Gibt es noch weitere Religionsgesellschaften die bei Inkrafttreten der WRV bereits Ansprüche auf Staatsleistungen im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 WRV hatten und die nun abzulösen sind?
  8. Die Antragsteller wollen ausschließlich die positiven Staatsleistungen der Länder an die Religionsgesellschaften (Kirchen) ablösen lassen. Müssen laut Verfassungsauftrag nicht auch die negativen Staatsleistungen wie die Befreiungen der Kirchen von Steuern und Abgaben abgelösten werden, sofern diese bei Inkrafttreten der WRV bereits galten? Wie könnte der Wert der negativen Staatsleistungen pragmatisch ermittelt werden?

 

Mit freundlichen Grüßen

Friedrich Coradill

Sprecher des Bündnisses altrechtliche Staatsleistungen abschaffen – BASTA

[1]                                     https://staatsleistungen-beenden.de/buendnis/

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