PM 11./14. August: 100 Jahre Ablösungsgebot. BAStA bringt Stellungnahmen aus Politik und Kirchen. Bisher ein­zig Oppositionsparteien aufgeschlossen

Pressemitteilung

11./14. August: 100 Jahre Weimarer Verfassung – 100 Jahre Ablösungsgebot der Staatsleistungen an die Kirchen

BAStA bringt Stellungnahmen aus Politik und Kirchen. Bisher ein­zig Oppositionsparteien aufgeschlossen

Hannover, den 5. August 2019 

Sehr geehr­te Damen und Herren,

100 Jahre Weimarer Verfassung – das heißt bis­her auch 100 Jahre Nichtstun der Regierungen beim Verfassungsgebot der Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen.

Das Bündnis alt­recht­li­che Staatsleistungen abschaf­fen (BAStA) will Bewegung in die Sache brin­gen und hat Parteien, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Fraktionen, Regierungen, Landesrechnungshöfe und Kirchen mit der Aufforderung ange­schrie­ben, end­lich die Initiative zur Beendigung der Zahlungen zu ergreifen.

Die über 50 Antworten fal­len zwar dif­fe­ren­ziert, aber ins­ge­samt gese­hen ernüch­ternd aus. Auffallend ist, dass sich prak­tisch kei­ne der Antworten mit der Frage befasst, ob es recht­lich zuläs­sig ist, den Verfassungsauftrag zur Ablösung wei­ter zu missachten.

!! Auf Wunsch bie­ten wir Ihnen Material aus den Antworten an, die uns erreicht haben!!

Zusammengefasst:

Die Bundesregierung hat über­haupt nicht reagiert. Ebenso wenig in der Sache die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland.

Die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben immer­hin in der Sache geant­wor­tet. Sie haben über­wie­gend dar­auf ver­wie­sen, dass es an dem not­wen­di­gen Grundsätzegesetz des Bundes zur Ablösung der Staatsleistungen fehlt. Sie leh­nen es durch­weg ab, selbst über den Bundesrat und gegen­über den Kirchen in die­ser Sache initia­tiv zu wer­den. Sie ver­wei­sen auf die von ihnen mit den Kirchen abge­schlos­se­nen Verträge und die ggf. zu erwar­ten­den hohen Ablösungsentschädigungen.

Die Rechnungshöfe dan­ken zwar für die Hinweise, sehen teil­wei­se auch, dass es ein Problem gibt, betrach­ten es aber, jeden­falls der­zeit, nicht als ihre Pflicht an, die Exekutive zum Tätigwerden zu veranlassen.

Den von uns ange­reg­ten Verzicht auf wei­te­re Staatsleistungen leh­nen die bei­den grö­ße­ren Kirchen erwar­tungs­ge­mäß ab. Sie zei­gen sich in der Ablösungsfrage zwar gesprächs- und ablö­se­be­reit, war­ten aber auf Initiativen der Politik. Dabei ver­weist das Kirchenamt der EKD auf die unbe­ding­te Notwendigkeit einer – so die Formulierung – „leis­tungs­äqui­va­len­ten“ Ablösungsentschädigung.

Die Vertreter der Regierungsparteien CDU/CSU und SPD äußer­ten sich kaum, und wenn doch, dann sehen sie ent­we­der kei­nen Bedarf oder wegen der hohen Ablösungsentschädigungen kei­ne Möglichkeit zur Ablösung, sie wei­sen außer­dem dar­auf hin, dass die Länder kein Ablösungsinteresse bekun­det hätten.

Landespolitiker die­ser Parteien ver­wei­sen vor allem dar­auf, dass die Bundesebene in der Pflicht sei. Stellvertretend sei hier die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Katja Pähle genannt, die sich wie folgt äußert:
„[Einer] mög­li­chen ein­sei­ti­gen Ablösung von Staatsleistungen durch das Land Sachsen-Anhalt muss nach herr­schen­der Meinung ein Grundsatzgesetz des Bundes vor­aus­ge­hen: der Landesgesetzgeber darf also mit­hin nicht vor­her tätig wer­den, bevor der Bund die Grundsatzgesetzgebung erlas­sen hat.“ Das Bundesministerium des Innern hat dem­ge­gen­über in sei­ner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken am 09.04.2014 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es für einen der­ar­ti­gen Gesetzentwurf kei­nen Handlungsbedarf sieht.

Allein die im Bundestag ver­tre­te­nen Oppositions-Parteien set­zen sich dafür ein, dass abge­löst wird. (Die AfD hat­ten wir nicht angeschrieben.)
→ Linken-Parteichef Bernd Riexinger befür­wor­tet Ablöseinitiativen, wie schon die Linken-Fraktion 2013 und 2017 sie ein­ge­bracht habe.
→ Grünen-Vorsitzender Habeck und meh­re­re Landesvorsitzende spra­chen sich für Ablöseinitiativen aus, wie es das Wahlprogramm 2017 vor­sieht. Der reli­gi­ons­po­li­ti­sche Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, zeigt sich „über­zeugt, dass die Politik jetzt in der Pflicht ist, die Debatte neu anzu­sto­ßen und nach Einhundert Jahren des Bestehens der Ablösungsverpflichtung das ihri­ge zu tun.“
→ Antworten der FDP-Landesebene ste­hen im Einklang mit Äußerungen ihres Fraktions-Sprechers für Religionsfragen Stefan Ruppert, der sich für Ablösungen aus­ge­spro­chen hat .
Ähnlich äußern sich Vertreter die­ser drei Parteien auf Landesebene.

Politiker von Kleinparteien spre­chen sich deut­lich für die Ablösung der Staatsleistungen aus. So der Europaabgeordnete Patrick Breyer von der Piratenpartei und Felix Bölter, der Vorsitzende der Partei der Humanisten, die jeweils auf ihre Parteiprogramme verweisen.

Wir for­dern:

→ Die Regierungsfraktionen im Bundestag sol­len auf die demo­kra­ti­schen Oppositionsfraktionen zuge­hen und das Ende der alt­recht­li­chen Staatsleistungen nach 100 Jahren beschließen.
→ Schluss mit den Ausflüchten. Die Politik in Bund und Ländern soll nicht nur in schö­nen Worten über die epo­cha­le Verfassung von Weimar spre­chen. Sie soll die­se Verfassung in Sachen Ende der Staatsleistungen für die Kirchen auch ernst nehmen.

Mit freund­li­chen Grüßen

Johann-Albrecht Haupt
(für das „Bündnis Altrechtliche Staatsleistungen Abschaffen“)

P.S. Auf Wunsch bie­ten wir Ihnen Material aus den Antworten an, die uns erreicht haben. 

→ Worum geht es?
13 Fragen – 13 Antworten: https://​staats​leis​tun​gen​-been​den​.de/​h​i​n​t​e​r​g​r​u​n​d​/​s​t​a​a​t​s​l​e​i​s​t​u​n​g​e​n​-​faq/

→ War ist das BA§TA?
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→ Zitate von Politikern:
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Öfters vor­ge­tra­ge­ne Rechtfertigungen für das bis­he­ri­ge Nichtstun in der Politik:

A)
Erstens wird behaup­tet, die Bundesländer (alle außer Bremen und Hamburg) wür­den mit den Staatsleistungen etwas Gutes tun, weil deren Empfängerinnen etwas Gutes mit dem Geld tun wür­den. Es sind sogar schon Stimmen laut gewor­den, dass die Kirchen gera­de des­halb die alt­recht­li­chen Staatsleistungen erhal­ten soll­ten, weil viel mehr Menschen aus den Kirchen aus­tre­ten als ein­tre­ten und die Zahl der Kirchenmitglieder ste­tig schrumpft. Dem hal­ten wir ent­ge­gen, dass die Kirchen nicht dar­über rechen­schafts­pflich­tig sind, was sie mit den 549 Millionen Euro (für das Jahr 2019) tun (Ausnahme: Bayern, wo aus­drück­lich Gehälter der höhe­ren Geistlichen und der­glei­chen bezahlt wer­den). Die Allgemeinheit zahlt hier für eine beson­de­re Entität. Diesen unhalt­ba­ren Zustand möch­ten schon die Weimarer Verfassung und das Grundgesetz zu Recht auf­he­ben. Noch nie haben wir die die­sem Argument inne­woh­nen­de Schlussfolgerung gehört, dass es bes­ser wäre, wenn Hamburg und Bremen eben­falls Staatsleistungen zu zah­len hätten.

B)
Zweitens heißt es, die Ablösung sei zu teu­er.
Dazu zwei­er­lei: zum Einen steht nir­gend­wo, wie hoch die Ablösung zu sein hat. Wirkliche Verhandlungen dar­über haben bis­her auf kei­ner staat­li­chen Ebene statt­ge­fun­den. Allerdings sind die jähr­li­chen Beträge für die Staatsleistungen in der Vergangenheit in Baden-Württemberg und Bayern redu­ziert worden
Die Bundesländer zah­len höchst unter­schied­li­che Beträge– egal, ob man Zahlungen je Kirchenmitglied, je Bürger/in oder je Einwohner/in zugrun­de legt. Es gibt also kei­ne fes­te oder ein­heit­li­che Berechnungsgrundlage, Zum Anderen ist eineAblösung auch gera­de aus finan­zi­el­len Erwägungen vor­teil­haft, weil die­se nicht zweck­ge­bun­de­nen staat­li­chen Verpflichtungen dadurch end­gül­tig dau­er­haft been­det wer­den. Es liegt am Verhandlungsgeschick, zu einer Ablösung zu kom­men, die den staat­li­chen Geldbeutel schont. Die Kirchen dürf­ten da offe­ner sein, als häu­fig ange­nom­men wird – zumal die Öffentlichkeit die Staatsleistungen größ­ten­teils unlo­gisch und unge­recht fin­det, Kirchenmitglieder eingeschlossen.

C)
Drittens ver­wei­sen ins­be­son­de­re Landespolitiker/innen ger­ne dar­auf, dass zuerst der Bundestag ein Ablösegesetz zu ver­ab­schie­den hat. Dies ist sach­lich rich­tig, dient aber all­zu­oft als Argument für Untätigkeit. Es gibt aller­dings sowohl die Möglichkeit, dass die Bundesländer eine Bundesratsinitiative star­tenals auch, wie in Bayern und Baden-Württemberg, zu direk­ten Verhandlungen mit den Kirchen. Diese könn­ten nicht nur zu einer Reduzierung, son­dern auch zu einem völ­li­gen Verzicht der Kirchen führen.

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